extract image from Lucia Marcucci, Bleah!!! (1967) (c) Lucia Marcucci
Ausstellung

L’OFFESA

9.6.2023—29.7.2023

Kuratiert von Francesca Verga and Zasha Colah

09.06.2023

Die Ausstellung L’Offesa in der Ar/Ge Kunst wirft einen neuen Blick auf mehrere seit den 1960er-Jahren entstandene Werke der Künstlerin Lucia Marcucci (*1933, Florenz), die sich mit verbo-visuellen Aspekten der auditiven Poesie, der Kinopoesie und nicht-linearer Montagetechniken auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang werden auch die Beiträge einiger Stimmen der Gegenwart vorgestellt.

Lucia Marcuccis Werk zeichnet sich durch eine Umkehrung des poetischen Wortes aus, die auch Eingang in die feministischen Kämpfe der 1960er-Jahren fand. Wenn die Künstlerin davon spricht, „das Lexikon an den Absender zurückzusenden“, so bedeutet das, über einen ironischen und kritischen Gebrauch von Sprache eine Befreiung von Geschlechterstereotypen, von Annahmen über die Darstellung des weiblichen Körpers ebenso wie von aufoktroyierten Praktiken und Gewohnheiten der kapitalistischen Gesellschaft zu erreichen. Lucia Marcucci bringt das Wort wieder auf Straßen und Plätze, in Leben und Orte, an denen Zivilbürgerschaft stattfindet, und mit ihr der Körper.

Anlässlich des 90. Geburtstags der Künstlerin zeigt die Ar/Ge Kunst in der Ausstellung L’Offesa mehrere Werke Marcuccis aus den 1960er- bis 1990er-Jahren, die von ihrem Archiv sowie der Galerie Frittelli Arte Contemporanea (Florenz) als Leihgaben zu Verfügung gestellt wurden. Die Schau stellt vor Augen, wie Sprache, Werbung, Medien und Papier in den 1960er- und 1970er-Jahren von einer militanten Praxis auf den Prüfstand gestellt wurden, die auf verbale und physische Gegenwart setzte.

Darüber hinaus unternimmt die Ausstellung L’Offesa eine kritische Reflexion aus aktueller Warte, indem sie einige Werke Lucia Marcuccis in einen Dialog mit den Stimmen anderer Künstler*innen stellt. So bringt etwa Wissal Houbabi eine audiovisuelle Installation in den Raum des Dissenses und der antirassistischen Kämpfe unserer heutigen Gesellschaft ein; Elena Biserna erkundet mithilfe der Partituren The Resounding Flâneuse und dem Spaziergang Feminist Steps (9./10. Juni 2023, Bozen) die (Hör-)Erfahrungen der nächtlichen Stadt aus einer geschlechtsbezogenen Perspektive; und im Rahmen von Bolzano Danza zeigen die Tänzerin Annamaria Ajmone und die Musikerin Laura Agnusdei die Geste und Klang verbindende Partitur Bleah!!! (20./21. Juli 2023, Kapuzinerpark, Bozen), die mit Assemblagen und dem Durchbrechen zeitlicher, räumlicher wie auktorialer Zusammenhänge arbeitet. Aus diesem Anlass veröffentlicht die Ar/Ge Kunst auch einige bislang unveröffentlichte Texte Lucia Marcuccis in der Publikationsreihe Novellas.

Programm 09.06.2023 und 10.06.2023

21:00 Uhr Gemeinsamer Spaziergang Feminist Steps von Elena Biserna: nächtlicher Walkshop für Frauen, queere und nicht-binäre Personen (3 Stunden)

Ausgehend von mehreren Textpartituren und -protokollen, die von Pauline Oliveros, dem Kollektiv Blank Noise und Elena Biserna elbst verfasst wurden, bietet dieser kollektive Spaziergang Gelegenheit, gemeinsam über (Hör-)Erfahrungen im öffentlichen Raum aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive nachzudenken und einige Verhaltensweisen des Gehens zu verlernen, die als angebracht, sicher oder erwartet gelten. Erste Schritte, um über Asymmetrien in Körper-Raum-Beziehungen nachzudenken, Erfahrungen auszutauschen und sich gemeinsam Praktiken der Achtsamkeit, Resonanz, Solidarität, Wiederaneignung und Umstoßung vorzustellen, die andere Konfigurationen und Modalitäten einer Besetzung von Raum begünstigen könnten.

max. 15 Personen, Anmeldung erforderlich unter: [email protected]

Die Ausstellung in der Ar/Ge Kunst wird ergänzt durch die von Frida Carazzato kuratierte Schau Lucia Marcucci. Poesie e no im Museion in Bozen. Beide Einzelpräsentationen kreisen um Erfahrungen, die zur Entstehung des Happenings Poesie e no geführt haben. Die mehrfach aufgeführte Performance zeichnet sich durch eine collageartige Nebeneinanderstellung visueller und sprachlicher Zeichen aus und wird für beide Einrichtungen zum Ausgangspunkt, um jeweils komplementäre Stränge von Marcuccis Œuvre zu beleuchten: So findet die in einer Kritik an der Konsumgesellschaft wurzelnde Untersuchung von Sprache ihren Raum im Museion, während die Gegenwart von Wort und Körper im Aktivismus eine Re-Lektüre auch durch zeitgenössische Stimmen in der Ar/Ge Kunst erfährt.

Anlässlich beider Ausstellungen hat zudem der Workshop für visuelle Kommunikation „Grafikdesign für Ausstellungen: Prozesse kultureller Praxis“ (geleitet von der Dozentin Elisa Pasqual in Zusammenarbeit mit Gianluca Camillini und Gerhard Glüher) an der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen sieben Kommunikationsprojekte entwickelt, die Themen im Werk Lucia Marcuccis und des Gruppo ‘70 aus heutiger Sicht aufgreifen. Die Workshop-Ausstellung eröffnet am 9. Juni um 18 Uhr in der Freien Universität Bozen.