©Research image, based on GIS modelling by G. A. Boyce, S. Chambers and S. Launius. Graphic elaboration: Tom James
Ausstellungen

“HOSTILE ENVIRONMENT”(S)

21.11.2019—8.2.2020

Eröffnung: 21. November 2019, 19 Uhr

Ein Projekt von Lorenzo Pezzani unter Mitwirkung von Dimitra Andritsou, Riccardo Badano, Geoffrey Alan Boyce, Samuel N. Chambers und Sarah Launius, Forensic Oceanography, Lodovica Guarnieri, Tom James, Tom Joyes, Faiza Ahmad Khan, Stefanos Levidis, des Multiple Mobilities Research Cluster (Victoria Hattam, Laura Y. Liu, Radhika Subramaniam, Miriam Ticktin, Rafi Youatt), Tara Plath, Robert Preusse, Hanna Rullmann, Martina Tazzioli, der Teilnehmenden des Workshops „Tempi Morti“ und Avi Varma.

Im Auftrag von ar/ge kunst

Koproduziert mit Z33 House for Contemporary Art, Design and Architecture, Hasselt

Download The Atlas of Critical Habitats

Die Ausstellung „Hostile Environment“(s) geht hervor aus einer Untersuchung, die der Wissenschaftler und Architekt Lorenzo Pezzani in Südtirol im Rahmen der vierten Ausgabe des von ar/ge kunst in Auftrag gegebenen und von Emanuele Guidi kuratierten One Year-Long Research Project unternommen hat.

Der Begriff des „feindlichen Umfelds“ (hostile environment) wurde erstmals 2012 in der Migrationsdebatte in Großbritannien eingeführt und bezieht sich auf den Erlass von Gesetzen, die darauf abzielen, Migrant*innen den Zugang zu Arbeit, Wohnungen, Dienstleistungen und Bildung zu verwehren. Seitdem haben sich die Städte des globalen Nordens und darüber hinaus durch den Abbau des Sozialschutzes in unerträgliche Räume der Feindseligkeit für diejenigen verwandelt, die als Außenseiter*innen gelten. Zugleich wurden „natürliche“ Räume wie Meere, Wüsten und Gebirgszüge (einschließlich der Alpen) zunehmend militarisiert und Migrant*innen in immer gefährlichere Geländeformationen abgedrängt, was immer wieder fatale Folgen hat.

Das Phänomen des „feindlichen Umfelds“ dient hier als analytisches Brennglas, um separate und doch miteinander in Verbindung stehende Prozesse einzufangen, durch die „natürliche“ wie städtische Räume anhand von Überwachungstechnologien und einer strategischen Mobilisierung juristischer Geografien, bürokratischer Protokolle sowie kolonialer Förder- und Entwicklungspraktiken zu einer Waffe umfunktioniert wurden.
Die Ausstellung umspannt die Bereiche der forensischen Untersuchung, der akademischen Forschung und Lehre sowie des nicht staatlichen Aktivismus und hat sich zum Ziel gesetzt, die politische Ökologie von Migration und Grenzgewalt zu erkunden und zu zergliedern. Mit großer Sorgfalt erstellt sie eine vergleichende Geografie verschiedener Grenzumgebungen und bewegt sich dabei kontinuierlich von lokalen zu entfernten Ökosystemen und umgekehrt.

Der Atlas of Critical Habitats vereint eine kontinuierlich wachsende Sammlung juristischer Dokumente, Karten, ein 3-D-Modell, Videos und ein Medienarchiv zur Untersuchung von Praktiken der Grenzkontrolle, die sich weniger gegen spezifische Personen richten als vielmehr in das Umfeld einzugreifen versuchen, das diese Personen durchqueren oder bewohnen. Der nach einem Standardsystem der Klimaklassifikation angelegte Atlas bietet einen Rahmen, in dem Projekte verschiedener Architekt*innen, Künstler*innen sowie gegenwärtiger und ehemaliger Doktorand*innen des Centre for Research Architecture vorgestellt werden.

Tempi Morti soll nachvollziehbar machen, wie feindliche Umfelder in noch nie da gewesener Weise in den Alltag vordringen und dessen Rhythmus zutiefst beeinflussen: mit Zeiten des Beschleunigens und des Abwartens, der Eile und der Stagnation, der rastlosen Untätigkeit, prekären Geselligkeit und rassistisch motivierten Gewalt. Drei Zeitdiagramme – sie entstanden anlässlich eines Workshops, der in Zusammenarbeit mit Antenne Migranti und der Alexander Langer Stiftung veranstaltet wurde und an dem Asylsuchende sowie Aktivist*innen aus Bozen teilnahmen – suchen den emotionalen Strukturen nachzuspüren, die an der Schnittstelle von standardisierter und subjektiver Zeitwahrnehmung zum Vorschein kommen.

Symposium
Im Oktober 2020 findet ein Symposium in Zusammenarbeit mit der Fakultät für Design und Künste der Freien Universität Bozen, dem Z33 House for Contemporary Art, Design and Architecture in Hasselt und dem Centre for Research Architecture (Goldsmiths, University of London) statt. Es wird eine diskursive, performative und Screening-Plattform bieten, um die in der Ausstellung behandelten Themen weiter zu vertiefen. Das Symposium versammelt Wissenschaftler*innen, Künstler*innen, Forscher*innen, Aktivist*innen und Designer*innen aus dem lokalen wie aus dem internationalen Kontext und fragt danach, welche Zufluchtsräume und Refugien in dieser allgemeinen Atmosphäre der Feindseligkeit noch bestehen können.

Die Installation wird im September 2020 im Z33 House for Contemporary Art, Design and Architecture in Hasselt, Belgien, im Rahmen einer von Silvia Franceschini kuratierten Ausstellung gezeigt.

Mit Dank an: Antenne Migranti, die Langer Stiftung, das Centre for Research Architecture (Goldsmiths, University of London), Filippo Prosser (Museo Civico di Rovereto), Thomas Wilhalm (Naturmuseum Südtirol), Katharina Hersel und Melitta Franceschini (Südtiroler Archäologiemuseum), Barbara Lupelli (Archivio Teche RAI Bolzano), Marco Samadelli (EURAC) und Kamil Dalkir.

Biografie
Lorenzo Pezzani (1982 Trient. Lebt und arbeitet in London) ist Architekt und Wissenschaftler. Zurzeit ist er Lecturer für Forensische Architektur am Goldsmiths, University of London. Seit 2011 arbeitet er an Forensic Oceanography, einem Gemeinschaftsprojekt, das militarisierte Grenzregimes im Mittelmeer kritisch untersucht. Er ist Mitbegründer der Plattform WatchTheMed. Gemeinsam mit verschiedenen NGOs, Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innengruppen hat er Karten, Videos, Installationen und Menschenrechtsberichte erstellt, die die Todesfälle von Migrant*innen auf See dokumentieren. Seine Arbeiten wurden als Beweismittel vor Gericht verwendet, in verschiedenen Presseorganen und akademischen Fachzeitschriften veröffentlicht sowie international ausgestellt und vorgeführt.

Mit der freundlichen Unterstützung von:
Autonome Provinz Bozen, Abteilung Kultur
Autonome Region Trentino-Südtirol
British Academy, Small Research Grant
Goldsmiths’ Public Engagement Fund
Stiftung Südtiroler Sparkasse
Gemeinde Bozen, Abteilung Kultur
Konditorei Hofer, Bozen