Rob Johannesma, Newspapers 2012
Ausstellungen

WORLD-WIELDING

27.1.2012—17.3.2012

Rob Johannesma
kuratiert von Luigi Fassi – Alberto Salvadori

Die Ausstellung von Rob Johannesma (geboren 1970 in Amsterdam, lebt und arbeitet in Amsterdam) wurde von der ar/ge kunst Galerie Museum in Bozen in Kooperation mit dem Marino Marini Museum in Florenz entwickelt. Die erste Einzelausstellung des holländischen Künstlers in Italien findet zeitgleich in beiden Institutionen statt. Rob Johannesma widmet sich seit einigen Jahren der Erforschung der symbolischen und narrativen Möglichkeiten der fotografischen Reproduktion. Er stützt sich dabei auf eine ausgeklügelte Methode der vergleichenden Bildanalyse, die darauf abzielt, ein Resonanzverhältnis zwischen den Ikonen des geschichtlich-künstlerischen Erbes des Abendlandes und den Materialien des globalisierten Medienuniversums herzustellen. Die Textcodes, welche die abendländische visuelle Vorstellungswelt von der Renaissance bis heute geprägt haben, sind Gegenstand seiner Forschungsarbeit, die die Natur der gegenwärtigen fotografischen Bilder und ihre Wahrhaftigkeitshypothesen als geschichtliche Evidenz zu befragen versucht.

Johannesma verwendet für seine Arbeit vorwiegend Fotos der internationalen Tagespresse, die als Informationsquellen des internationalen Journalismus in direktem Kontakt mit dem Weltgeschehen stehen. Der Künstler bündelt und bewahrt diese Bilder als visuelle Materialien eines extrem beschleunigten Konsums, die innerhalb weniger Stunden nach ihrem Entstehen bereits alt und hinfällig sind. Es sind vor allem Bilder von Krieg und Gewalt, Szenen, die durch einen starken geopolitischen Inhalt geprägt sind.

Johannesma vergleicht in seinen Installationen die mechanische Reproduzierbarkeit der Bilder mit der ideellen Konstruktion der Geschichte mittels visueller Paradigmen der großen europäischen Maltraditionen, die er in der holländischen, flämischen und deutschen Renaissancekultur vorfindet.

Im Rahmen der Ausstellung wird auch die neue, monumentale Fotoarbeit World-Wielding (2012) gezeigt, die sich entlang der Reproduktion eines Schnappschusses, der im Mai 2011 in einer holländischen Tageszeitung publiziert worden war, mit dem Verhältnis zwischen zeitgenössischer Fotografie und Kunstgeschichte auseinandersetzt. Die Fotoarbeit zeigt das Skelett eines menschlichen Wesens, das in Srebrenica auf der Erde liegt. Es ist der Schauplatz des Massenmordes an bosnischen Moslems 1995 während des Bosnienkrieges. Der Künstler hat das Bild einem Prozess der Zersetzung und Wiederzusammensetzung unterzogen, indem er es unzählige Male neu fotografiert. Auf diese Weise verwandelt er das Foto in eine Textanalyse, die sich mit den verschiedenen Bedeutungen des Bildes in Bezug auf Chronik und Kunstgeschichte, aber auch mit der konzeptuellen Kraft der Fotografie in der zeitgenössischen Kunst auseinandersetzt.

Auf einem großen Tisch wird die Arbeit Newspapers (2012) ausgestellt. Dies ist eine Fotocollage, die der Künstler aus Materialien der Tagespresse zusammengetragen hat. Die Arbeit verfolgt die Logik der intuitiven Recherche, der Collagen, parallelen Interpretationen und Dissonanzen. Auf diese Weise wird die Arbeit zu einer Untersuchung auf dem Feld des ikonographischen Patrimoniums der abendländischen Kulturgeschichte. Geschichtsträchtige Landschaften, Reproduktionen von Kunstwerken sowie Schnappschüsse aus der internationalen Presse wechseln einander ab und bilden Reihen: dadurch erzeugen sie eine Vielzahl an Referenzen und Eindrücken, die in der Lage sind, die komplexe Ambiguität der Fotografie als Instrument zur Reproduktion des Realen herauszuarbeiten.

Zwei Videoarbeiten, Blue and Orange (1998) und Untitled (2002) vervollständigen die Ausstellung. Sie illustrieren den Zugang des Künstlers zu jenem Landschaftskonzept, das in seinem Verhältnis von Formen, Farben und Horizonten auf abstrakte und symbolische Weise kodiert wurde. Johannesma richtet sein Augenmerk hier auf zwei parallele Horizonte, auf eine spekulative und eine narrative Ebene. Er versucht, Fragmente und zerstreute, heterogene visuelle Einheiten zu einer möglichen Bedeutungseinheit zusammenzufügen.

So lässt sich die Arbeit des holländischen Künstlers mit Aby Warburgs phantasmatischem Werk des Mnemosyne-Bilderatlanten vergleichen, geht es doch um die Erinnerung an das Verhältnis zwischen Bildern und Bedeutungen, aber auch um das vielseitige Modell, das Warburg zur Verwirklichung seiner großen ikonografischen Tafeln verwendete.