Ausstellungen

L’ARTE DI INVECCHIARE

6.9.2007—27.10.2007

Marina Ballo Charmet, Marcell Esterhazy, Isa Genzken, Elisabeth Hölzl, Melanie Manchot, Aernout Mik, David Zink Yi, Louise Bourgeois, Marrie Bot, John Coplans, Anton Corbijn, Ines Doujak, Herlinde Koelbl, Vera Lehndorff, Maria Lassnig, Nicolas Nixon
kuratiert von Sabine Gamper Karin Pernegger

Im Treibsand „Die Kunst des Alterns“ ist eine zweiteilige Ausstellung, die als Gemeinschaftsprojekt von der Galerie Museum Bozen (I) und der stadtgalerie schwaz (A) konzipiert wurde. Sie ist mit unterschiedlicher Schwerpunktgebung und künstlerischer Besetzung von Anfang September bis Ende Oktober 2007 in den beiden Räumlichkeiten zu sehen. Die Ausstellungen zeigen eindrückliche Porträts über das Älterwerden, über Nostalgie und Erinnerung zwischen Selbstwahrnehmung und dem Mythos der Jugend, sowie den Blick jüngerer Familienmitglieder auf ihre alten Eltern und Großeltern, sie recherchieren anhand von Werken zeitgenössischer Kunst das Alter sowohl im Kontext von Familie und Gesellschaft wie auch mit Augenmerk auf den alternden Körper zwischen Verlustangst und Intimität. Angesichts der Veralterung unserer Gesellschaft und den damit verknüpften Herausforderungen wird klar, dass wir neue Bilder brauchen, um dem Thema des Alters gerecht zu werden. Die Video- und Fotoarbeiten, die in der Galerie Museum in Bozen gezeigt werden, dokumentieren die gleichsam bereichernden wie auch schwierigen Momente der Präsenz alter Menschen in unserer Gesellschaft und unseren Familien, deren Eingebundensein und auch deren Ausgeschlossen werden, die Kraft des Alters sowie auch den Verfall und die Vergänglichkeit.
Einen sehr privaten Blick auf die Präsenz alter Menschen in unseren Familien zeigt uns der ungarische Künstler Marcell Esterhazy in seinem Video „v.n.p. v.2.0.“ (2005), indem er seine Videokamera während eines gemeinsamen Familienessens auf den Großvater richtet. Der Künstler orientiert die Geschwindigkeit des Videos an den langsamen Bewegungen des Großvaters, indem er den Film etwas schneller ablaufen lässt und damit auch die Zeitabläufe der anderen Familienmitglieder beschleunigt.
Aernout Mik inszeniert in seiner Videoarbeit „Kitchen“ (1997) drei ältere Männer, die vor dem Hintergrund einer neu installierten Küche kämpfen. Spielerisch wechseln sie laut Anweisungen des Künstlers – wie damals auf dem Schulhof – die Rollen zwischen Angreifenden und Bedrängten. In dieser inszenierten Situation erkennt man trotzdem, wer als kleiner Junge schon zu den Gewinnern und wer zu den Verlierern gehörte.
Machtverhältnisse zwischen einem Vater und seiner Tochter werden in dem Video „Elocution“ (1996) von Imogen Stidworthy abgehandelt, wobei die Rollen Eltern-Kind, Vater-Tochter, Lehrer-Schülerin, Mann-Frau reflektiert werden.
Die deutsche Fotografin Melanie Manchot zeigt Porträts ihrer Mutter, die nicht nur ihre intime Beziehung dokumentiert, sondern auch die Haut als Projektionsfläche des Alters zeigt. Kein anderes Organ ist ein sensiblerer Seismograf des Lebenswandels als unsere Haut, da sich jede Narbe oder auch der vergangene wie aktuelle Lebendwandel darin bestimmend ablesen lässt.

Elisabeth Hölzl begleitete mit ihrer Fotokamera über einen gewissen Zeitraum die Bewohner des Meraner Altenpflegeheim “Seisenegg”. In ihrer Installation „Souvenir“, (2007) arrangiert sie Alltagsgegenstände und Fotografien, die für die alten Menschen das Leben von früher repräsentieren. Auf sehr einfühlsame Weise dokumentiert Marina Ballo Charmet in ihrem Video „frammenti di una notte“ (2005) mit ihrer Videokamera eine Nacht in einer geriatrischen Abteilung eines Krankenhauses, zwischen Krankheit, Alter und medizinischer Betreuung. Die Bilder sprechen vom Schlaf als Loslösung, an der Grenze zwischen Bewusstsein und Unbewußtem, im Rhythmus der Schichtwechsel des Krankenhauspersonals, und gekennzeichnet von den rituellen Gesten der Zuwendung.

Das Thema der Vergänglichkeit bespricht Daniela Chinellato in ihrer Installation „coltempo“ (2007), eine Reminiszenz an die „Alte Frau“ von Giorgione, deren Charakterportrait und unerbittlich an das Verrinnen der Zeit und erinnert, eine unausweichliche Tatsache des Lebens. Um Nostalgie und Erinnerung geht es auch in den Fotoarbeiten von David Zink Yi, der in „Roma 395-6“ (2006), seine italienische Großmutter fotografierte, die aus Italien nach Südamerika auswanderte und ihre Porzellanfigürchen und Spitzendeckchen als Erinnerung an das ferne Europa um sich versammelt hält. Ihm geht es um das kulturelle Gedächtnis aller Menschen, welche Rolle familiäre Wurzeln spielen, woraus unsere Heimatbindung besteht.
Wir leben in so vielen Bildern, wie das Alter auszusehen hat, aber leben mit so wenigen Bildern, die unser aktives Alter spiegeln können. Die Ausstellung versucht einen Anstoß hierzu zu geben. Die Schönheit des alten Körpers steht im Vordergrund der Ausstellung.