exhibition view, Marjetica Potrc, 2003
Ausstellungen

MARJETICA POTRC – STRATEGIE URBANE

25.10.2003—6.12.2003

„Es gefällt mir, Fallstudien solcher Communities mit Menschen zu teilen, die Galerien und Museen frequentieren, Orte, wo augenscheinlich über schwierige Kategorien wie Schönheit, Form und Konzept nachgedacht und diskutiert wird. Mit der Schönheit ist es etwas seltsam. Du kannst versuchen, sie rational zu erklären, aber am Ende berührt sie dich nur, wenn dein Körper sie wirklich versteht.“ (Marjetica Potrc)
Die Ausstellung „Marjetica Potrc – Urbane Strategien“ in der Ar/ge Kunst Galerie Museum (24.10.-06.12.2003) legt ihr Augenmerk auf eine entscheidende zeitgenössische Tendenz, nämlich auf die Verbindung von Architektur und Kunst.

Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr ausgeprägt und zu einem selbstverständlichen Teil der ästhetischen Diskussion und künstlerischen wie architektonischen Praxis entwickelt. Mehr und mehr beeinflussen Architekturtheorien und Städteplanung die zeitgenössischen Kunsttheorien sowie auch die ästhetischen Kriterien, und zwar in einer Weise, wie es bis vor Kurzem noch undenkbar gewesen wäre. Es findet eine tiefgreifende Analyse von Formen statt, die mit einem grundlegenden Verständnis für soziale Phänomene in unserer heutigen Welt zusammentrifft, um Werke von großer Schönheit, Bedeutung und Interesse entstehen zu lassen. Marjetica Potrc wurde 1953 in Ljubljana (Slowenien) geboren. Sie studierte Architektur (Abschluss 1977) und freie Kunst an der Universität Ljubljana (Abschluss 1986). Ihre Arbeiten wurden seit 1988 in zahlreichen Gruppenausstellungen gezeigt. 1993 war sie Repräsentantin Sloweniens auf der Biennale von Venedig. In den letzten Jahres wurden Potrcs Arbeiten in Einzelausstellungen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten gezeigt, außerdem nahm die Künstlerin an vielen Gruppenausstellungen teil, wie z.B. an der 23.Biennale von Sao Paulo (1996), Skulptur Projekte Münster (1997), Manifesta 3, Ljubljana, (2000), Art Unlimited in Basel und Biennale von Venedig (2003).

1996 gewann Marjetica Potrc den Preis der Philip Morris Kunstförderung sowie ein Stage mit Einzelausstellung im Künstlerhaus Bethanien in Berlin im Jahre 2000. Im selben Jahr erhielt sie auch den Hugo-Boss-Preis, der mit einer Ausstellung im Guggenheim Museum in New York verbunden war. Marjetica Potrc nimmt sich in ihren Projekten der Randgebiete der modernen Großstädte an, indem sie Wohnmodelle der sogenannten Armenviertel dieser Welt untersucht, Städte, die krasse Unterschiede zwischen Arm und Reich aufweisen, deren unterentwickelte und unterversorgte Viertel oft jeglicher Unterstützung entbehren und aufgrund der Armut ihrer Bewohner sehr begrenzte materielle Ressourcen aufweisen. Sie beobachtet die Slums an den Rändern von Städten wie Caracas, Sao Paulo oder Rio de Janeiro, und untersucht dabei vor allem den menschlichen Lebensraum – sozusagen aus einer geopolitischen Perspektive heraus.
Dabei interessiert sie sich vor allem für kreative Raum- und Städteplanung, sowie für die Art und Weise, wie sich die Menschen den ständigen Veränderungen und Gegebenheiten in ihrem jeweiligen architektonischen Umfeld in der zeitgenössischen Stadt anpassen. Potrc beobachtete im laufe der letzten Jahre mehrere Projekte, die sie als Fallstudien in Ausstellungen in Europa und Amerika präsentiert, und – wie im Falle von Duncan Village – einer ständigen inhaltlichen wie künstlerischen Weiterentwicklung unterzog. Die Künstlerin präsentiert diese baulichen Lösungen mit respektvoller und echter Bewunderung, indem sie die untersuchten Fallbeispiele ohne sozialen moralisierenden Kommentar, vielmehr als anthropologische Fakten in Form von architektonischen Installationen innerhalb von Ausstellungskontexten dem westlichen Kunstpublikum vorstellt.
Diese Installationen zeugen in unserer von Globalisierung und Migration geprägten Welt von Lebensrealitäten am Rande der menschlichen Gesellschaften, und dokumentieren den persönlichem Einsatz und die Selbständigkeit ihrer Bewohner. Abseits der durchgeplanten Stadtgebiete richtet sich Marjetica Potrcs Augenmerk also auf die kreativen Möglichkeiten, die solche temporären, aus der Not geborenen Behausungen bergen. So verdeutlicht sie, wie eine ausgegrenzte Ökonomie die offizielle Ökonomie der geplanten Stadt umgibt und es den Einwohnern der Favelas, der Borgate und der Townships ermöglicht, eine Autonomie zu erlangen, die für die Planstruktur der Stadt durchaus auch eine Herausforderung darstellen kann.
Marjetica Potrcs Arbeiten verstehen sich insofern als Gegenmodelle zur urbanistischen Utopie der funktionierenden Stadt. In der Galerie Museum zeigt Marjetica Potrc mehrere Beispiele ihrer künstlerischen Auseinandersetzung mit urbanen Strategien:
In erster Linie die Installation Duncan Village, ein Beispiel von selbstorganisierter Architektur aus Südafrika. Dieses Projekt stellt nunmehr die vierte Generation von „Duncan Village“ dar, die Potrc im Rahmen von Ausstellungen präsentiert. Nach ihrer ersten Intervention in der Galerie Nordenhake in Berlin 2002 wurde Duncan Village in den Ausstellungen im Badischen Kunstverein in Karlsruhe sowie auf der Art Unlimited 2003 in Basel zu sehen. Die vierte Generation dieses Fallbeispiels aus Südafrika entsteht nun eigens für die Galerie Museum in Bozen.
Es handelt sich hierbei um eine Hütte, die Marjetica Potrc in einem Architekturprojekt in Duncan Village, East London, Südafrika gesehen hatte, und die mehrere Elemente aufweist, die dieses Bauwerk zu einer idealen Fallstudie für die Künstlerin macht, so z.B. die enge Zusammenarbeit zwischen Städteplanern und Siedlern bei der Entstehung dieser Bauten, die Verschmelzung der formellen und der informellen Stadt. Bei diesem Projekt veranlasste die Stadt East London im Rahmen eines Hilfsprogramms die Errichtung der Infrastrukturen für Trinkwasser, Strom und Wasserabfluss in Duncan Village, und die neuen Bewohner waren dafür zuständig, ihre Häuser auf Eigeninitiative selber zu bauen. Weiters zeigt diese Ausstellung mehrere Objekte, die nach dem Prinzip der Verbindung zwischen High-Tech und Low-Tech funktionieren und kreative Lösungen bieten, um auf simple Art und Weise das Leben der Menschen zu erleichtern. Es werden die Fotoarbeiten der Serie „City States“ zu sehen sein, sowie Urban independent Web Project, das einen umfassenden Überblick über alle Arbeiten der Künstlerin geben wird.