Mel O’Callaghan, Installation View, Overlines, 2007 Courtesy Schleicher & Lange, Paris. Photo: Ivo Corrà
Ausstellungen

FANTASMATA

8.11.2008—20.12.2008

Becky Beasley, Susanne Bürner, Alice Guareschi, Mel O’Callaghan, Niamh O’Malley, Ana Prvacki, Magnus Thierfelder
kuratiert von Luigi Fassi

“Fantasmata” ist ein Schlüsselwort im Sprachgebrauch der westlichen Philosophie. Eng an die Reflexion über die Einbildungskraft und Phantasie geknüpft, konstituiert der Begriff von seinen historischen Ursprüngen im griechischen Denken bis zur Gegenwart ein komplexes philosophisches Problem.
Aristoteles definiert in De Anima die Einbildungskraft als Zwischenort zwischen Wahrnehmung und Denken, der solcherart die ephemere Verbindung zwischen den beiden Momenten ermöglicht und zugleich von beiden unterschieden bleibt. Für Aristoteles ist das Einbildungsvermögen oder die Phantasie in der Lage, aus sich heraus Fantasmata zu erzeugen: Bilder, die ihren Ausgangpunkt in der Erinnerung an das Wahrgenommene haben und durch die Erfahrung der sinnlichen Wahrnehmung einzelner Gegenstände und Ereignisse erzeugt werden. Diese Fantasmata nehmen eine primäre Rolle in der Entwicklung des Denkens ein, insofern in der aristotelischen Psychologie jede begriffliche und geistige Handlung zwangsläufig auf sie rekurriert und derart an sie gebunden ist. So wenig es daher Bilder ohne Wahrnehmung gibt, kann es in diesem Sinn auch ein Denken ohne Bilder nicht geben. Auf diese Weise bilden die Fantasmata eine Brücke zwischen Wahrnehmung und Denken und stellen sich als eigentlicher Motor der Erkenntnis dar, ohne jedoch in ihrer Eigenschaft der Ambivalenz und Flüchtigkeit selbst eine ontologische Größe zu konstituieren. Fantasmata sind demnach zweideutige Einheiten, diaphan und wechselhaft, so wenig rein sensitiv wie vollkommen intellektuell. Aus diesem Grunde jedoch sind sie in der Lage, den Bereich des Möglichen und seiner Entwicklungen Richtungsnahmen auf exemplarische Weise zu repräsentieren.
Die Ausstellung „Fantasmata“ will der Komplexität der ursprünglichen philosophischen Bedeutung von Fantasmata gerecht werden, indem sie sich auf die Spur ihrer Nuancen und Ambivalenzen begibt.
Die ausgestellten Arbeiten der Künstler und Künsterlinnen zeugen vom Wesen der Fantasmata und setzen Imagination, Erinnerung und Wahrnehmung gleichermaßen in Gang, ohne dass das eine oder andere der vertretenen Elemente stärker als die anderen wäre. Die Arbeiten der Ausstellung produzieren Bilder als jenen mentalen Ort, der als Grenze zwischen einer Welt der Empfindung und Wahrnehmung und einer Welt des rationalen und konzeptuellen Denkens zur Sichtbarkeit kommt. Auf diese Weise wird die grundlegende Bedeutung der Imagination und Phantasmen in der Kunst unterstrichen und zugleich die Aktualität des klassischen philosophischen Denkens im zeitgenössischen Kunstdiskurs hervorgehoben.